Berufsstruktur und wirtschaftliche Situation in den Jahren 1828/29


Ein Auszug aus: Heiko Jäckel: Willershausen im 19. und 20. Jahrhundert. In: Willershausen am Harz - Umrisse einer Dorfgeschichte. Hg. von Heiko Jäckel, Rainer Diesner und Walter Hillebrecht. Willershausen 1998.


Für das Jahr 1828 lieferte Pastor Hüser einen groben Umriß der Berufsstruktur in der Parochie Willershausen: „In den drei Dörfern der hiesigen Parochie sind jetzt 40 Familien eigentliche Ackerleute die Pferde auf den Ackerbau halten, nämlich 14 in Wildershausen, 12 in Oldershausen, 14 in Westerhof; 4 Müller, 4 Krüger und Hokenhändler [Kleinhändler], 1 Seifensieder,        1 Ziegelbrenner, 35 Leinweber, 51 Handwerker aller Art als Schuster, Schneider, Maurer, Zimmerleute, Rademacher, Schmiede, Sattler, Fleischer, Drechsler, Böttcher, Tischler, Glaser etc. etwa 70 Familien die größtentheils von Tagelohn leben, 12 Hirten-Familien, außerdem Holzhändler, Viehhändler, Fruchtbereiter, Wollkratzer etc.“

Über die wirtschaftliche Situation wußte Hüser zu berichten: „Die 3 großen Ökonomien in den 3 Dörfern, die bedeutenden Forsten, die Honoratioren, die bedeutende Ziegelbrennerey und Seifensiederey geben vielen Handwerkern und Tagelöhnern Nahrung. Feldbau, Flachs-Arbeit ernähren gleichfals Viele; dies Jahr war die Ernte einigermaßen gut, nur gelten Kaufgarn und Leinwand zu wenig. Die vielen Tannzapfen geben Vielen Menschen schwachen Verdienst, wobey aber auch bereits 5 aus den Tannen gestürzt sind ohne jedoch todt oder Krüppel geworden zu seyn. Um schwachen Lohn zu kriegen, müssen, bey noch immer fortwährendem Geldmangel die Menschen zum Theil lebensgefährliche Arbeit wagen. Die Ackerleute haben fast mehr Noth als die kleinen Leute, weil jene zu wenig Land besitzen, deshalb alles geerntete selbst consumiren u. dagegen vielerley Abgaben u. Lasten zu tragen haben, daß sie am wenigsten Geld anzuschaffen wissen. Im ganzen erhält sich der Vermögensstand, bey Einzelnen die ein einträgliches und glückliches Gewerbe treiben, vermehrt er sich. Schlechte Haushälter kommen zurück.“

 

1829 waren wieder niedrige Preise für Flachsprodukte zu beklagen. Garn aus Flachs wurde meist von Frauen und Kindern gesponnen. Um ein Lopp Garn [nach: ENGEL 1965, S. 68: 2340 m] herzustellen, brauchte man eine Flachsmenge, die im Einkauf 12 Pfennige kostete. Im Verkauf brachte das Lopp aber grade einmal 18 Pfennige. Wer fleißig arbeitete, konnte in 15 bis 17 Stunden 2 Lopp Garn spinnen. Der Verdienst von 17 Stunden harter Arbeit lag also nur bei 12 Pfennigen. Den Grund für die niedrigen Preise sah Pastor Hüser darin, daß „Vornehm und Honorig sich größten theils in Baumwollene und wollene Zeuge hüllt, und Leinwand gegen Kattun [Baumwollstoff] nicht zum dritten Theil mehr gebraucht wird. Das Übel liegt zu tief als daß leichte Abhülfe zu erwarten stände. Die Mode tyrannisiert ohnehin und der Luxus steigt, so wie die Masse der Abgaben.“

Heiko Jäckel, 1998