Die Seifensiederei Lagershausen
Ein Auszug aus: Heiko Jäckel: Willershausen im 19. und 20. Jahrhundert. In: Willershausen am Harz - Umrisse einer Dorfgeschichte. Hg. von Heiko Jäckel, Rainer Diesner und Walter Hillebrecht. Willershausen 1998.
Am
26. Oktober 1820 zog der aus Gittelde stammende 22 Jahre alte Heinrich Jacob
Lagershausen nach Willershausen. Er scheint einen ausgeprägten Unternehmergeist
und etwas Kapital gehabt zu haben. In Willershausen versuchte Lagershausen sein
Glück als Seifensieder, Hockenhändler (Kleinhändler), Leuchtergießer, Gast-,
Land- und Viehwirt. In den Kirchen- und Schulberichten Pastor Hüsers taucht bei
der fast jährlich erfolgenden Aufzählung der wenigen bedeutsamen
Gewerbetreibenden erstmals im Jahre 1826 ein Seifensieder in Willershausen auf.
Lagershausen hatte seine Seifensiederei vermutlich kurz zuvor in Betrieb
genommen. Im Mai 1832 scheint er allerdings beabsichtigt zu haben, aus
Willershausen fortzuziehen. Wegen einer bevorstehenden „Ortsveränderung“
bot er sein Haus mit der Gastwirtschaft und allem Zubehör in der Zeitung zum
Verkauf an [GGZ 19.5.1832]. Die Seifensiederei ist in der Annonce nicht erwähnt.
Weshalb sich Lagershausen letztlich doch anders entschied, ist nicht bekannt.
Jedenfalls hat er weder sein Haus verkauft, noch hat er seinen Wohnort
gewechselt.
Über
die Größe der Seifensiederei, ihre Produktionsmengen und ihre Lage ist nur
wenig bekannt. Obwohl sie 1845 zu den wenigen „Fabriken
und fabrikähnlichen gewerblichen Etablissements“ gezählt wird (siehe
unten), war sie wohl nicht größer als ein kleiner Handwerksbetrieb. Für die
Seifensiederei können im Jahre 1838 nur zwei Beschäftigte nachgewiesen werden:
Seifensiedermeister Jacob Lagershausen und sein Geselle August Uhde.
Die
Seifensiederei Lagershausen bestand in Willershausen bis zum Tod Jacob
Lagershausens im Jahre 1847. Zwischen 1837 und 1840 scheint die wirtschaftliche
Lage des Unternehmens recht gut gewesen zu sein, da Pastor Hüser den
Seifensieder damals zu den wenigen Personen zählte, die immer wohlhabender
wurden. Die Seifensiederei befand sich im Bereich des heutigen
„Schulstieges“, auf dem Platz der 1869 erbauten „Alten“ Schule. Die
Gastwirtschaft Lagershausen lag wohl gegenüber der Pfarre zwischen der Mühle
Schlange und dem Hof Denecke. Das Ende der Seifensiederei ist scheinbar auf persönliche
Schicksalsschläge im Leben des Jacob Lagershausen zurückzuführen. Sein Sohn
starb 1842 im Alter von sieben Jahren an Nervenfieber. Drei Jahre später starb
seine vierzigjährige Ehefrau Johanne Marie Friederike Magdalene geborene
Goedicke im Wochenbett [PfA W.: A. KB 2]. Laut einer Notiz von Pastor Hüser
bewirkten diese Schicksalsschläge bei Jacob Lagershausen „eine
entscheidende Veränderung seines Wesens, er gab sich dem Alkohol hin und
vernachläßigte die Geschäfte“ [PfA W.: A. 340]. Im Januar 1845
verklagte der Kaufmann zur Möhle aus Seesen Lagershausen wegen ausstehender
Schulden. Am 2. November 1846 brannten die Hintergebäude der Seifensiederei ab.
Gegen Jacob Lagershausen wurde daraufhin wegen Brandstiftung ermittelt. Am 28.
April 1847 starb er im Alter von 49 Jahren als Inhaftierter im Westerhöfer
Gefangenenhaus an Entkräftung [PfA W.: A. KB 2]. Am 18. September 1849 fand in
der Gastwirtschaft Uhde in Willershausen die Versteigerung des Lagershausenschen
Besitzes durch das Amtsgericht Westerhof statt [GGZ 15.9.1849].
Heiko Jäckel, 1998
Willershausen - ein frühes „Gewerbezentrum“ im Amt Westerhof
Das „Amts Westerhof Verzeichniß der Fabriken und fabrikähnlichen gewerblichen Etablissements“ [HStA H.: Hann. 74 Osterode 592] ist eine amtliche Liste vom 16. Dezember 1845, in der alle Unternehmen im Amt Westerhof erfaßt sind, die nicht zu den herkömmlichen Handwerksbetrieben gerechnet wurden. Man darf sich unter diesen Betrieben aber nicht Fabriken nach heutigem Verständnis vorstellen. Aus der Liste wird deutlich, daß Willershausen zu dieser Zeit bereits ein kleines „Gewerbezentrum“ im Amt Westerhof war. Von insgesamt nur fünf vorhandenen fabrikähnlichen Betrieben lagen allein drei in Willershausen.
Betrieb: |
Standort: |
Stand
und Name des Inhabers: |
Ziegelbrennerei |
Harriehausen |
Erbmeier
und Ziegelmeister Borneman |
Kalanderspinnerei |
Wiershausen |
Brinksitzer
und Bankier Gropp |
Ziegelbrennerei |
Willershausen |
Brinksitzer
und Ziegelmeister Schrader |
Färberei |
Willershausen |
Brinksitzer
Rose |
Seifensiederei |
Willershausen |
Großköthner,
Gastwirt und Seifensieder Lagershausen |
Heiko Jäckel, 1998