Die Wasserburg


Ein Auszug aus: Heiko Jäckel: Willershausen im 19. und 20. Jahrhundert. In: Willershausen am Harz - Umrisse einer Dorfgeschichte. Hg. von Heiko Jäckel, Rainer Diesner und Walter Hillebrecht. Willershausen 1998.


Im Niederungsgebiet von Aue und Düderoder Bach liegt der Gutshof von Willershausen. Wegen eines Wassergrabens, der das Gutshaus bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts umgab, wird die Anlage auch als Wasserburg bezeichnet. Über den Ursprung dieser Anlage ist kaum etwas bekannt. Archäologische Untersuchungen oder Funde fehlen bisher vollständig. Man kann aber wohl davon ausgehen, daß die Anlage als Vorwerk (Wirtschaftshof) der Burg Westerhof bereits im späten Mittelalter bestanden hat.

Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts besaßen die Herren von Boventen das Land, auf dem sich später der Gutshof befand, zu Lehen. Der Besitz stammte ursprünglich von der ausgestorbenen Familie derer von Westerhof. Spätestens seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert muß ein Gutshof in Willershausen bestanden haben, da Angehörige der Familie von Boventen damals hier lebte. Die von Boventen starben 1586 mit Ludolf II. in männlicher Linie aus [vgl. Beitrag von Edgar Müller]. Der Besitz gelangte über die Schwester Ludolfs - Anna von Boventen - an die Familie von Gittelde. Als der letzte Herr von Gittelde im 17. Jahrhundert starb, erbte sein Schwiegersohn Conrad Rötger von Diepenbroick das Gut. Die Nachkommen derer von Diepenbroick verkauften die Anlage Ende März 1837 an den Regierungsrat Heinichen in Hildesheim. Dieser verkaufte das Gut bereits am 25. August 1837 an die Königlich Hannoversche Domänenkammer [HA 14.2.1838].

 

Eigentümer des Gutes Willershausen bzw. der Wasserburg 

 

 

bis

 

1389

von Westerhof

 

1389

bis

 

1586

von Boventen

 

1586

bis

um

1650

von Gittelde

um

1650

bis

März

1837

von Diepenbroick

März

1837

bis

August

1837

Regierungsrat Heinichen

August

1837

bis

 

1930

Domänenkammer bzw. Forstbehörde

 

1930

bis

 

1936

Polizeihauptmann Lüdemann

 

1936

bis

 

heute

Familie Bruno Tauchmann

 Der Gutshof in Willershausen wurde seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts meist von Pächtern bewohnt und bewirtschaftet und nicht von den Eigentümern. Die Namen der Pächter sind aber nur zum Teil bekannt sind.

 

Gutspächter in Willershausen  

1664, Okt. 7. Heinrich Philipp Teichtmeyer [SCHUBERT 1990, S. 180]
1705-1714 Christian Bösen [PfA W.: A. 101]
1755, 1756 Georg Wilhelm Wallis [PfA W.: A. 104]
1760er Jahre Fusch [PfA W.: A. 104]
1787 (†) Franz Anthon Müller [PfA W.: A. KB 2]
1801-1808 Johann Georg Wiebe [PfA W.: A. KB 2]
1826-1833 Georg Carl Jörn [GutsA O.: Abt. 23 Fach 17 Nr. 125]
1833-1838 Clemens August Klöpper [HStA H.: Hann. 74 Osterode 267]
1839-1849 (?) Casimir Wilhelm Gruner [HStA H.: Hann. 74 Osterode 267]

Im Vergleich mit der Domäne Westerhof oder dem Gut Oldershausen war der Willershäuser Gutshof recht klein. In den Rittermatrikeln des Königreiches Hannover wird der Umfang der Domäne Willershausen im Jahre 1859 mit 279 Morgen Land- und 174 Morgen Forstfläche angegeben. Zum Gutshof Oldershausen gehörten damals 3033 Morgen Land und 805 Morgen Wald [KNESEBECK 1974, S. 118].

Aus einer Kopie des 1837 abgeschlossenen Pachtvertrages zwischen der Königlichen Domänenkammer in Hannover und dem Pächter Gruner vom 24. Dezember 1838 [HStA H.: Hann. 74 Osterode 267] geht hervor, daß damals zum Gut Willershausen neben den Wirtschaftsgebäuden (Schweinehaus, Kuhstall, Brauhaus) und dem Tagelöhnerhaus bei der Ziegelei hauptsächlich folgende Rechte und Besitzungen gehörten:

 

- 302 Morgen Ackerland.

- 34 Morgen Wiesenland

- Der über einen Morgen große sogenannte Fricken-Garten (siehe: Flurnamensammlung).

- Die Weideberechtigung.

- Der Fruchtzehnt vor Willershausen und Echte aus einer Fläche von 616 Morgen.

- Der Fleischzehnt aus Willershausen.

- Hand- und Spanndienste.

- 12 Pfennige für jeden gemahlenen und sechs Pfennige für jeden geschroteten Himpten

(ca. 31 Liter) Korn aus der Mühle.

- Der bei der Angermühle (heute Osteroder Landstr. 8) gelegene kleine Fischteich.

 

Von der Verpachtung ausgenommen blieben das Wohnhaus (Hauptgebäude), ein Nebengebäude, der große Hausgarten („Park“), sowie sämtliche „Erbenzins-, Lehns-, Pacht- und sonstigen Gefälle, sie mögen in Natural-Praestationen oder aber in Bauren Gefällen bestehen“.

 

Das 1837 ausdrücklich von der Verpachtung ausgenommen Wohnhaus dürfte damals oder bald darauf der königlichen Forstbehörde zu Nutzung überlassen worden sein, die dort den neuen Sitz der Forstinspektion Westerhof einrichtete. Zumindest im Jahre 1859 hat der Forstmeister von Estorff mit seinem zehn Personen umfassenden Haushalt im Gutshaus gelebt [PfA W.: A. 143]. Die Forstinspektion Westerhof wurde 1869 aufgehoben. Nach 1869 stand das Gutshaus den Forstbeamten, die den Darrebetrieb in Willershausen leiteten, als Wohn- und Dienstgebäude zur Verfügung. Ob diese Beamten schon seit der Errichtung der Willershäuser Darre um 1858 hier wohnten, ist nicht bekannt. Als letztes Försterehepaar lebten Kluges in der „Wasserburg“. Nachdem der Darrebetrieb 1927 eingestellt worden war, veräußerte die Forstverwaltung das Anwesen 1930 an den Polizeihauptmann Lüdemann aus Hildesheim, der hier mit seiner Familie einzog. Im Herbst 1936 kaufte Bruno Tauchmann die Gutsgebäude mit dem dazugehörigen Garten und einer Weide von Lüdemann. Noch heute ist das Anwesen im Besitz der Familie Tauchmann.

 

Heiko Jäckel, 1998